Festina Lente in Mexico

Festina Lente in Mexico
Festina Lente in Mexico
Festina Lente in Mexico
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Festina Lente in Mexico
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Festina Lente in Mexico

Festina Lente - make haste slowly, the Mexican way.

Die Idee, FESTINA LENTE, unsere interaktive Tanzperformance von 2013, mit einem mexikanischem Team wieder aufzunehmen kam uns im Anschluss an einen Workshop über Dramaturgie und Score-basiertes Arbeiten im Tanz im Rahmen des deutsch mexikanischen Austauschjahres vor etwa einem Jahr. Zusammen mit Olga, die Organisatorin auf mexikanischer Seite, selber Choreographin und Performerin, wollten wir möglichst bald an den begonnenen Austausch anknüpfen, und Festina schien uns geeignet, da es unsere Arbeitsmethodik mit offenen aber präzisen Bewegungspartituren reflektiert, ein Thema aus den ersten Workshop, und einen bereits klar gesetzten Konzeptuellen Rahmen bot mit viel Raum für Begegnungen, lokal motivierte Adaptationen und Dramaturgische Verhandlungen. Außerdem waren wir neugierig wie ein Mexikanisches Team und Publikum mit diesem Interaktiven Stück umgehen würde und die Idee einer freien Überarbeitung ohne die Entstehungsgeschichte im Rücken gefiel uns ebenfalls. Olga gefiel die Idee und über Ilona vom GI wurde der Kontakt mit Chopo und Ceprodac hergestellt. Olga wandte sich an Diana und Gervasio, ein Choreographen Duo aus Merida und so entstand ein höchst diverses, gut vernetztes und künstlerisch vielversprechendes Projektteam mit interessanten Partnerinstitutionen und die Möglichkeit das Projekt auch gleich in vier Städten insgesamt 7 mal zu präsentieren.

Ein Jahr und unzählige Emails später, mache ich mich auf den Weg nach Mexico City um in drei Wochen Probezeit ein Stück mit einem mir selbst noch unbekannten Cast wiederaufzunehmen, welches wir in Berlin mit unserem dream team an Tänzern in 6 Wochen intensiver Arbeit entwickelt hatten. Ein spannendes unterfangen, aber auch eine Möglichkeit die eine oder andere Falte aus dem Originalstück auszubügeln und wahrscheinlich neue hinein. Eine Chance auf die ich mich ganz besonders gefreut habe, denn ich hatte mich schon etwas verliebt in FESTINA und immer wieder habe ich gedacht, wenn das Ende nicht so Bröselte wärst du perfekt, mein Stück.

Die Probetage verlaufen wunderbar. Gleich drei der Tänzer erinnern mich an den originalen Cast, da fliegt man um den halben Globus und erkennt gleich alte in neuen Bekannten wieder - Zufall oder eine subversive Integrationsleistung des Unterbewusstseins, oder ist im Tanz eben doch manches typisch? Ich freute mich jedenfalls, mit den drei älteren im Tänzerteam, Olga Diana und Bacho, drei gestandene Choreographen, mit Erfahrung im Experimentellen Umgang mit konzeptuellen Ansätzen zu haben, die meinen Methoden sehr neugierig und aufgeschlossen begegneten, die aber auch in meiner Methodik genug Rahmeninformationen fanden um sich inhaltlich darin selbstständig zu entfalten.
Genauso freute ich mich über die beiden jüngeren, Rebekka und Memo, zwei sehr clevere, schnelle präzise und reaktive PerformerInen, die von Anfang an sehr aufgeschlossen waren, aber
eher ein tradiertes Arbeiten mit virtuosen Bewegungsformen und klassischen Erzählweisen gewohnt waren. Sie hätten sich vielleicht ein bisschen mehr Führung im Detail gewünscht, aber ich muss ja einen Weg finden alle im Boot zu halten. Und wie mir Olga am Ende des Projektes sagen wird, sie war froh, dass ich eben kein Choreographen-Papa gewesen bin. Somit ruht diesem Projekt nicht nur ein kulturelles Austauschpotenzial zwischen Europa und zentral Amerika inne, sondern auch ein Dialog zwischen zwei Welten innerhalb des zeitgenössischen Tanzes, die nicht so oft im Austausch stehen.

Ich erinnere mich an einen Kommentar von Bacho die erste Woche: “Es ist erstaunlich, wie frei man sich fühlt und wie viele Ideen man entwickelt, wenn man ganz klare Regeln zu befolgen hat.” und einen von Rebekka den ich Sinngemäß so verstanden habe, dass sie gerne virtuoseres material geliefert hätte, jedoch dachte dass sei stilistisch nicht angebracht, da es nicht ausdrücklich eingefordert wurde. Memo wurde immer stiller und nahm sich mehr und mehr zurück. Auch hier hegte ich den verdacht, dass es sich um Ungereimtheiten handeln musste denen Fragen des ästhetischen Stils zugrunde liegen.

FESTINA LENTE ist kein übliches Bühnenstück. Die Stilistik ist gar nicht so wichtig. Es ist eine Versuchsanordnung in der etwas im und mit dem Publikum verhandelt wird, und zwar wie man kollektiv mit Macht umgeht, wie man sich einem kollektiven Prozess unterwirft oder eben nicht, was man bereit ist für die Kunst, die man sehen will zu riskieren. Festina riskiert sich selbst bei jeder Aufführung. Aber gehr es bei Kunst nicht auch um Verschwendung? Liegt nicht gerade hier ein gutes Pfund Freiheit begraben? Die Dramaturgie von Festina ist situationsbasiert und ganz nebenbei wird ein anderer Zugang für Tanz geschaffen jenseits der üblichen Exzellenz-Behauptungen und Betrachtungsgewohnheiten welcher Tanz das ist ist gar nicht so wichtig wichtig sind die Situationen die entstehen. All das kann man ohne Publikum nicht proben und so blieb die Hoffnung das nach den ersten Aufführungen alles Zusammenkommen würde und so war es dann auch.

Aus allen beteiligten wurde ein Team. Aturo und Ich an der Technik, Ireri an der Logistik, die Tänzer wuchsen zusammen. Denn es ist kein leichtes, dieses Stück zu performen. Eine Stunde auf Abruf, manchmal mit so komplizierten Aufgaben, das es einfach nicht möglich ist dem Rhythmus des Publikums folgend alle Instruktionen auszuführen. Man kann das Gefühl haben missbraucht zu werden, wenn man keinen sportlichen Umgang mit dieser Idee der Verschwendung findet. Verschwendung… wäre mir das Wort schon in Mexiko eingefallen, Verschwendung und Freiheit - vielleicht hätte ihnen dass geholfen. Nach 7 sehr verschiedenen Vorstellungen kamen wir als Team zusammen um die Zukunft zu besprechen. Denn eines war klar, schon nach der ersten Vorstellung: Es soll weitergehen. Jeder hatte hier etwas zu sagen eine Kritik einen Wunsch eine Idee für die Zukunft. Alleine das war toll. Jeder war da, hat sich die Arbeit zu eigen gemacht, will das beste für sich und alle. Nichts ist niemandem egal. Und das bei einem Team, in dem jeder getrost seinen Weg hätte gehen können, wo keiner den Anderen braucht. Da habe ich dann gemerkt das hier was gewachsen ist. Und daher traue ich mich jetzt auch mal dass hier nach außen zu schreiben. Und die mir einprägsamsten Dinge hier zu teilen. Eine Art mini-manifest aus einer Feedback runde entwickelt:

1: Ein gutes Bild braucht einen Passenden Rahmen! Die Konditionen für die Aufführungen waren akzeptabel in Zwei von Vier Städten. Gerade ein Stück das sich jedes mal neu Verhandelt zwischen sportlichem Spiel und ernster Kunst braucht den künstlerischen Kontext. Wir waren uns alle einig, das die Vorstellungen, in denen das der Fall war auch das Stück auf einem Sockel stand, von dem aus es betrachtet werden konnte.

2: Verteidige deine Kunst mit deinem Leben! Nach einer von den schwierigen Vorstellungen habe ich gemeckert. Direkt im Anschluß. Die Tänzer waren einfach nicht auf der Höhe. Vielleicht war es der Rahmen, vielleicht auch dass Spektrum des möglichen im Detail noch nicht so klar eingegrenzt. Aber in diesem Stück kann sich nur dann etwas verhandeln, wenn es auch gezeigt wird. Auch wenn es schwierig ist in jeder Situation das beste zu geben.

3: Ehre den Tanz! Wenn man wir ich, wie Olga Bach und Diana, eigene Projekte macht, Anträge schreibt, Netzwerke knüpft, ÖA macht und oft noch Buchhaltung, bleibt nicht so viel Zeit zum üben. Wir finden Lösungen, Alleinstellungsmerkmale, unseren ganz persönlichen Stil. Neue Faktoren werden der Bewegungsqualität beigemischt. Aber das heißt auch, das wir nicht die gleichen Tänzer sind, die wir mal waren, als wir jeden Tag acht bis zehn Stunden getanzt haben man wird eben älter und Verlagert seine Interessen. Wenn aber Memo, der die halben Proben lang kritisch distant war und nie was gesagt hat nun solidere körperliche Vorbereitung vor jeder Vorstellung vorschlägt, die es ermöglichen sollen mit jeder Show etwas besser zu werden, dann ist das ein Arbeitsauftrag, den es zu erfüllen gilt.

4: Mach die schönsten Dinge bitte mindestens Zwei mal! Perfekte Stücke gibt es nicht und dass ist auch gut so. Es gibt kein perfektes Ende für ein Stück dessen Verlauf so offen ist. Das habe ich gelernt. Das Neue Ende ist aber näher dran an dem was vorher passiert. Eigentlich lag es so in der Art schon immer in der Luft, aber manchmal ist es schwer das Offensichtliche zu tun, weil man es nicht für originell genug hält. Es war toll solch eine Jugendsünde in einem Zweiten Versuch zu revidieren. Einen zweiten Versuch zu haben ist toll. Man lernt so viel.

Ich habe auch gelernt, dass die Leute in Mexico tendenziell schneller zählen als in Europa, dass mir dieses Land wirklich gefällt, dass es sich lohnt die besten Partner zu holen, die man kriegen kann, dass es sich lohnt alle Karten auf den Tisch zu legen, wenn es darum geht Partner zu Freunden zu machen. Nächstes Jahr geht es weiter. Mal sehen, wie lange der Wind uns trägt.
D.B.

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